Premiere: Regie

Der einzig anstrengende Teil meiner Woche in der Jury des Filmfestivals Türkei-Deutschland war, daß ich nach getaner Arbeit noch den letzten Schliff an meine erste Regiearbeit für das Staatstheater Nürnberg legen musste. Die Premiere war für’s gleiche Wochenende geplant wie die Preisverleihung auf dem Festival.

Wobei Regie im klassischen Sinn wohl auch nicht ganz richtig ist. Ich war mehr der DOP – der Director of Photography – denn inszeniert war Goyo Monteros Ballettstück BLITIRÍ ja bereits. Meine Aufgabe war es vielmehr die richtigen Perspektiven zu finden, um die Themen weiter herauszuarbeiten, die er im Stück behandelt.

Blitirí ist ein Wort aus dem Mittelalter und bedeutet soviel wie ein „Wort ohne Sinn“ oder „Blablabla“. Nach der langen Zwangspause durch die Pandemie war das Stück zuallererst als eine Hommage an die pure Freude tänzerischen Ausdrucks gedacht, aber gleichzeitig reflektiert Montero auch über die Last der Existenz als Tänzerin oder Tänzer.

Tanz als pure Lust und Tanz als schwere Last – das sind also die Pole des Stücks und diese Pole wollte ich filmisch übersetzen. Dem Zuschauer soll der perfekte Blick geboten werden und eine Nähe zu den Tänzern die in einer normalen Aufführung nie möglich wäre. Diese Nähe sollte aber nie ins aufdringliche kippen.

Der erste Kritik zum Stück streicht nun genau das heraus: ( !!! eine weitere Premiere! Die erste veröffentlichte Kritik über meine Arbeit 🙂 )

Mit „Blitiri“ ist Goyo Montero der Tanz auf dem Vulkan gelungen, genauer gesagt: Er hat die Balance zwischen realer Aufführung und Online-Darbietung mit pirouettenhafter Leichtigkeit gemeistert. (…) Und dafür hat er genau den richtigen Mann ausgesucht, der den Ballettdirektor offensichtlich so gut kennt wie die eigene Westentasche: Der Videograf Stefan Kleeberger ist seit zehn Jahren Kooperationspartner des Hauses. Wie viele Schnitte, wie viel Arbeit in seinem Video steckt, kann man nur erahnen. Einer, der sein Fach versteht hat es nicht nötig, durch Spezialeffekte aufzufallen, im Gegenteil: Stefan Kleeberger spielt Mäuschen. Besser: Er ist ein ganzes Mäuserudel, das unbemerkt dahin huscht, wo der Genuss zu finden ist. Wenn es nötig ist, synchrone Bewegungen der Kompanie darzustellen, wählt er eine Perspektive, die genau das unterstreicht. Fallen die Tänzerinnen und Tänzer wie bunte Smarties aus der Tüte zeigt Kleeberger das aus der Vogel-Perspektive. Versucht ein Paar verzweifelt, sich an den sie trennenden Luftballons vorbeizuarbeiten, ist die Kamera nah an den verzerrten Gesichtern. (…) Stefan Kleeberger rückt ihnen auf die Pelle ohne sie bei ihrer „Freude an der Bewegung zu Tanz“ zu stören oder zu beeinträchtigen. Diese Einblicke sind phänomenal. Gänsehautverdächtig.

Gänsehautverdächtig Von Susanne Roth/tanznetz.de

Ich arbeite ja normalerweise am liebsten alleine – aber diesmal habe ich das Arbeiten im Team wirklich genossen. Goyo und ich haben uns über die gesamte Projektdauer perfekt ergänzt. Technische Unterstützung hatte ich vom Bühnenteam am Staatstheater um Susanne Hoffmann, Boris Brinkmann und Tobias Krauß und von Andi Mährlein und seinem Team bei Andicam. An der Kamera waren Markus Kleinert, Uwe Friedrich und Christoph Bühl. Und wenn der Ton mal Lücken hatte war Owen Belton sofort zu stelle und hat diese Lücken gestopft. Vielen Dank an alle, das war eine wirklich harmonische Zusammenarbeit.